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Medienpädagoge Michael Kleinschmidt mit dem damaligen Plakat zum Film »Jud Süß«, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber

Schüler sehen Propagandafilm »Jud Süß« mit pädagogischer Begleitung

Wie kann man mit einem Film die Emotionen oder Einstellungen der Zuschauer beeinflussen? Diese Frage haben sich 85 Schülerinnen und Schüler der Peter-August-Böckstiegel-Gesamtschule gestellt. Zusammen mit dem Medienpädagogen und Filmkritiker Michael Kleinschmidt guckten sie den nationalsozialistischen Propagandafilm ‚Jud Süß‘, der 1940 von dem Regisseur Veit Harlan inszeniert wurde, im Bambikino Gütersloh. Der Film ist seit 1945 durch die West-Alliierten Kontrollbehörden mit einem Aufführungsverbot belegt, da er einen eindeutig propagandistischen Inhalt hat. In Kooperation mit der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, welche die Rechte an dem Film besitzt, und dem Institut für Kino und Filmkultur bietet das Kreismedienzentrum Kinoseminare an, in denen der Film mit pädagogischer Begleitung gesehen werden darf.

»Jud süß« erzählt die Lebensgeschichte von dem jüdischen Bankier und Juwelier Joseph Süß-Oppenheimer, der 1733 in Stuttgart Finanzberater des Herzogs Karl Alexander von Württemberg wird – trotzt Judenverbot in der Stadt. Da der Herzog einen ausschweifenden und dekadenten Lebensstil hat, liegt er im andauernden Streit mit seinen Landesständen, die diesen nicht finanzieren wollen. Süß-Oppenheimer führt eine Wegesteuer ein, bringt den Herzog dazu, den Judenbann aufzuheben und stellt Dorothea, der Tochter des Landschaftskonsulenten Sturm, nach. Sturm lehnt den Heiratsantrag von Süß-Oppenheimer barsch ab. Aus Rache lässt Süß ihn und Dorotheas späteren Ehemann Karl Faber verhaften. Dorothea begibt sich aus Verzweiflung zu Süß, um Gnade für die Beiden zu erbitten. Sie wird von ihm bedrängt, vergewaltigt und stirbt. Unter den aufgebrachten Württembergern bricht der Aufstand los: Eine wütende Meute zieht zur Residenz des Herzogs. Durch die Aufregung stirbt Karl Alexander an einem überraschenden Herzanfall. Süß-Oppenheimer wird verhaftet und in einem anschließenden Prozess wegen Beischlafs mit einer Christin zum Tode durch den Strang verurteilt. Der Judenbann wird wieder eingeführt und alle Juden müssen das Land verlassen.

Veit Harlan stellt die Figur des Jud Süß als hinterhältigen, geizigen und sexuell gierigen Menschen dar, der zu Recht bestraft wird. »Das Ziel war es, Hass zu schüren, auf Menschen die anders sind«, verdeutlicht Michael Kleinschmidt. »Der Film wirkt erst wie ein ganz normaler Unterhaltungsfilm. Dabei geht es eher um die unsichtbare Propaganda, von der hier Gebrauch gemacht wird.« Diese indirekte Manipulation beginne schon bei der Wahl des Filmgenres: ‚Jud Süß‘ sei zum einen ein Melodrama, bei dem man gerührt das Schicksal von Dorothea verfolge. »Dadurch erzeugt man beim Zuschauer starke Gefühle und gleichzeitig Hass auf den bösen Juden, der an allem Schuld ist.« Zum anderen sei ‚Jud Süß‘ ein Historiendrama: »Joseph Süß-Oppenheimer hat es wirklich gegeben. Allerdings sind die geschichtlichen Tatsachen verdreht und vieles erfunden worden, um die Juden zu diffamieren«, klärt Kleinschmidt auf.

Der Zuschauer werde zudem durch Kontraste beeinflusst, mit denen der Film arbeitet: Der junge, deutsche Protagonist Karl Faber mit einer aufrechte, gerade Haltung und deutlicher Sprache steht dem undeutlich sprechenden, gekrümmten, jüdischen Assistenten Levi entgegen. Das liebliche deutsche Volkslied wird dem schiefen, disharmonischen jüdischen Gesang entgegen gesetzt. Und das Judentum wird als eine Religion der Rache inszeniert, während das Christentum die Religion der Liebe verkörpert. »Man wollte den Zuschauer emotional mit Bildern überrennen«, erklärt Michael Kleinschmidt. Zum Beispiel wurden alle jüdischen Sprechrollen, außer Süß-Oppenheimer, von ein und demselben Schauspieler Werner Kraus gespielt: »Dadurch wurde deutlich gemacht: Alle Juden sind gleich, sie stammen aus derselben Wurzel.«

»Die Leute sind damals in den Kinos aufgesprungen und wollten die Juden vertreiben«, erzählt Michael Kleinschmidt. »Und genau das war die gewollte Reaktion. Sie sollten denken ‚bevor die Juden uns gefährlich werden, rotten wir sie aus‘«.

Mehr als 20 Millionen Deutsche haben »Jud Süß« damals freiwillig in den Kinos gesehen. Goebbels soll über den Film gesagt haben: »Ein antisemitischer Film, wie wir uns ihn besser nicht hätten vorstellen können.« Zirka 1200 Filme wurden in den zwölf Jahren des Nationalsozialismus unter der Federführung von Joseph Goebbels gedreht. Knapp 50 von ihnen haben einen politisch-propagandistischen Hintergrund und können nur mit pädagogischer Begleitung angesehen werden.
 
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