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Foto: Detlef Güthenke, Stadt Gütersloh, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber

Der Einzelhandel und die Innenstadt

Was wurde und wird nicht alles zu den Themen »Einzelhandel« und »Innenstadt« geschrieben. Da kommen beliebte Argumente wie »Sie wollen eine belebte Innenstadt mit kleinen, inhabergeführten Läden? Da hilft nur Hingehen!«, »Die Einzelhändler sind unsere Mitbürger. Amazon nicht!«, »Die Einzelhändler und deren Mitarbeiter zahlen hier Steuern. Amazon nicht!«, »Man kann mit dem Einzelhändler vor Ort einen Plausch halten«, »Der Service ist besser«, »Man kann die Produkte anfassen und anprobieren«, »Man kann die Produkte sofort mitnehmen«, »Man unterstützt die lokale Wirtschaft«, »Man sichert Arbeitsplätze«, »Die Innenstadt muss attraktiver werden«, »Man kann nirgendwo parken«, »Es gibt nur noch Handyläden, Ein-Euro-Shops und Backshops oder Filialisten«, »Die Leute werden immer bequemer und kaufen lieber vom Sofa aus«, »Wir brauchen mehr Gastronomie in der Innenstadt«. Die Argumente sind teilweise trivial, offensichtlich oder sogar ein logischer Zirkelschluss.

Das ist alles richtig oder zumindest nicht ganz falsch. Wobei einige Argumente doch falsch sind. Der Service ist nicht unbedingt besser. Die Innenstadt ist nicht unbedingt unattraktiv. Man kann parken. Es gibt viele tolle Läden, viele sind inhabergeführt: Wir haben beispielsweise eine tolle und eine sehr tolle Buchhandlung, wir haben tolle Modeläden, tolle Läden für Möbel, Wohnaccessoires oder Geschenkideen, wir haben eine tolle Weinhandlung, ein tolles Geschäft für Elektrogeräte, tolle Sportgeschäfte, tolle Fotografinnen und Fotografen, einen tollen Fotoladen, tolle Läden für Dessous und Bademoden, einen tollen Laden für Kleinigkeiten, tolle Schmuckgeschäfte und Goldschmieden, tolle Gastronomiebetriebe und noch viel mehr. Leider gibt es kein Lebensmittelgeschäft mehr. Aber die, die es früher gab, haben ja nicht zugemacht, weil sie zu erfolgreich waren oder zuviel Geld verdient haben.

Teilweise ähneln die Argumente dem Versuch, einen Blinden von einer bestimmten Farbe zu überzeugen, Und die Frage ist ja auch, ob die Leute das alles überhaupt wollen. Das ist gar nicht gesagt. Und alle Argumente spielen interessanterweise keine Rolle, wenn es heißt »In der Stadt ist was los« und/oder »Sonntag ist verkaufsoffen«. Dann kann man plötzlich problemlos parken, ist sich nicht mehr zu bequem und alle genannten Argumente spielen plötzlich keine Rolle mehr. Und vor allem ist es ja nicht so, dass überhaupt keiner mehr in die Stadt gingen. Aber es könnten durchaus mehr Leute sein.

Wir sehen also: Rationale Argumente bringen nichts. Es braucht eher emotionale Botschaften, die einen Eventcharakter haben, etwas Besonderes. Einige Protagonisten haben das eigentlich ja auch längst erkannt – beispielsweise gibt es immer wieder erfolgreiche Veranstaltungen. Man denke da nur an die Werbegemeinschaft, den Verkehrsverein oder die Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz. Leider funktionieren die besagten Botschaften nur punktuell und nicht langfristig. Sie sorgen für keine Trendumkehr.

Früher, als es die ganzen Fußgängerzonen noch nicht gab, war die Innenstadt zweifellos urbaner. Aber damals gab es auch noch kein Amazon. Andererseits gab es damals Quelle, Neckermann und Otto-Versand. Und es gab nur halb soviele Autos. Andererseits gab es auch noch keine Elektroautos.

Nun heißt es, man müsse Innenstädte »neu denken«, der Einzelhandel müsse sich »neu erfinden« oder »digitalisieren« … nun ja. Die Innenstädte verändern sich zweifellos. Aber hier geht es um den stationären Einzelhandel. Wie soll sich der »neu erfinden«? Was heißt das konkret? Und was heißt Digitalisierung? Ein Onlineshop? Hoffnungslos. Mehr Präsenz im Internet? Viele Läden haben eine Website. Ob das etwas bringt, ist nicht klar. Es heißt oft, die Leute würden vor dem Kauf im Internet nach den Produkten suchen, und es wäre hilfreich, wenn dann auch lokale Einzelhändler als Suchergebnis auftauchten. Aber sie tauchen nur zuverlässig auf, wenn sie ihr Sortiment komplett online abbilden. Also einen Onlineshop betreiben. Und dann müssten sie, um wirklich einen durchschlagenden Erfolg damit zu haben, nicht nur preislich mit Amazon mithalten können. Warum nur von Amazon die Rede ist? »Knapp 70 Prozent von jedem Euro Umsatz im gesamten E-Commerce Deutschlands wurden im Jahr 2018 über Amazon Marketplace oder Amazon Vendor erwirtschaftet« … und dieser Anteil wird nicht gesunken sein. Oder wie es der Starphilosoph Precht gesagt hat: Amazon ist kein Onlinehändler, Amazon ist der Onlinehandel.
 
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