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Wenn der Patient keinen Plan hat

Statt der runden Pille gibt es nun eine ovale. Vielleicht, weil die Krankenkasse vor kurzem mit einem anderen Hersteller einen Rabattvertrag geschlossen hat. Vielleicht, weil das gewohnte Arzneimittel derzeit nicht lieferbar ist. Eigentlich kein Problem, denn die ovalen Pillen wirken genauso gut wie die runden. Allerdings nimmt der betagte Patient noch andere Tabletten ein, die alle ganz ähnlich aussehen und auch ganz ähnlich heißen. »Da ist die Gefahr von Verwechslungen groß«, sagt Petra Hruby, Inhaberin einer Apotheke im Münsterland und Bezirksgruppenvorsitzende des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe im Kreis Borken.

Nicht einmal jeder Dritte hat einen Medikationsplan

Da hilft ein Plan, ein Medikationsplan. Wer über einen längeren Zeitraum drei oder mehr Arzneimittel einnehmen muss, hat Anspruch auf einen solchen Plan. Bundesweit jedoch haben gerade einmal 29 Prozent der Patienten über 65 Jahre, die mehrere Arzneimittel einnehmen müssen, bei der Aufnahme in eine Klinik einen solchen Medikationsplan. Das hat im vergangenen Jahr eine Umfrage der Barmer-Krankenversicherung ergeben. Zahlen, die Petra Hruby für Legden nicht bestätigen kann: Viele der Patienten würden von den Ärzten bereits mit solchen Plänen versorgt.

Nach wie vor allerdings tragen sie die Pläne auf Papier in die Apotheke. Wenn dann ein Arzneimittel nach Rücksprache mit dem Arzt ausgetauscht oder die Dosierung geändert werden muss, der Patient vielleicht noch ein nicht-verschreibungspflichtiges Mittel dazukaufen möchte, müssen Petra Hruby und ihr Team die Änderungen per Hand auf dem Plan eintragen, sofern die Patienten das möchten. In der Arztpraxis werden die Notizen dann in den Computer übernommen. In Legden klappt das – andernorts nicht immer: Bei einer Untersuchung in Münster, die 500 Patienten mit Medikationsplan umfasste, entsprachen nur 6,5 Prozent der allein vom Arzt erstellten Medikationspläne der tatsächlichen Einnahmepraxis.

PIN-Nummer bei den Kassen erfragen

Dabei ginge es schon längst viel einfacher - und vor allem sicherer: Seit dem vergangenen Jahr bereits gibt es den elektronischen Medikationsplan – und alle Änderungen oder Ergänzungen können vom Team der Arztpraxis oder Apotheke direkt auf dem Chip der Gesundheitskarte gespeichert werden, wenn der Patient seine Zustimmung gibt. Die notwendige Hard- und Software, etwa die erforderlichen Kartenlesegeräte, stehen längst in der Apotheke von Petra Hruby, wie in den meisten anderen Apotheken auch. So ist es möglich, den Chip auf der Gesundheitskarte zu lesen und zu beschreiben. Damit Ärzte und Apotheker aber auf die Karten zugreifen können, benötigen die Patienten eine PIN-Nummer, mit der sie den Speicher für die Praxis und Apotheke freigeben. Diesen bekommen die Versicherten von ihrer Krankenkasse bzw. müssen ihn bei einigen Krankenkassen anfragen. Bislang hätten viele Patienten den PIN noch nicht, so die Erfahrung von Petra Hruby in Legden.

Dabei würde der Informations-Austausch zwischen Arztpraxen, Apotheken und Krankenhäusern mit dem elektronischen Plan auf der Karte deutlich erleichtert. Für die Behandelnden und auch die Apo-thekerinnen und Apotheker wären Unverträglichkeiten oder Wechselwirkungen zwischen mehreren Medikamenten leichter zu erkennen. Der Patient wiederum könnte in der Apotheke gleich einen übersichtlichen Plan mit allen Änderungen ausgedruckt bekommen, statt einer handschriftlich ergänzten Aufstellung. Dann wüsste er genau, wann er die neue ovale Pille einnehmen muss.

Zum Schutz der Patienten

Wenn Patienten dauerhaft viele verschiedene Medikamente einnehmen müssen, steigt ihr Risiko für arzneimittelbezogene Probleme stark an. Bei älteren Menschen sind bis zu 30 Prozent der Krankenhauseinweisungen auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen zurückzuführen. Nur eine Minderheit der Patienten, die drei und mehr Arzneimittel einnehmen müssen, verfügen über einen bundedeseinheitlichen Medikationsplan. Viele Medikationspläne sind zudem unvollständig oder nicht korrekt, wie eine Studie der Uni Münster ergeben hat. Einen Überblick über sämtliche Verschreibungen von Hausarzt und Fachärzten sowie der nicht-verschreibungspflichtigen Mittel, die Stammkunden dazukaufen, haben die Apotheken. Die vollständige Medikation des Patienten zu erfassen und auf Risiken zu überprüfen, ist jedoch aufwändig und geht weit über das ›normale‹ Beratungsgespräch mit dem Patienten hinaus. »Das ist nur machbar, wenn eine entsprechende pharmazeutische Dienstleistung von den Krankenkassen honoriert wird«, sagt Dr. Klaus Michels, Vorstandsvorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL). Das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz sieht solche Leistungen ab 2022 für die Versicherten vor.
 
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