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Mandalay Hill - Myanmar – an sich ein Paradies, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber

Myanmar 2022, Gedanken zur Lage vom German Global Trade Forum Berlin

Myanmar 2022, Gedanken zur Lage vom German Global Trade Forum Berlin

Berlin, 2022

Der Autor dieses nachfolgenden Artikelbeitrages ist ein Deutscher, der seit langer Zeit in der Region lebt. Seine Auffasung muss nicht geteilt, wohl aber beachtet werden. Prädikat: Besonders wertvoll.

Nun ist es schon fast ein Jahr her, seit machthungrige Militärs einen Putsch in diesem Land inszeniert haben, die demokratisch gewählte Regierung von Aung San Suu Kyi absetzten und deren führende Mitglieder verhafteten. 

Zahllose Menschen gingen auf die Straße, um ihren Zorn auszudrücken. Nach einiger Zeit begannen die Sicherheitskräfte auf friedliche Demonstranten zu schießen. Als Reaktion bildeten sich bewaffnete Gruppen (unter anderem »PDF«, »Peoples’ Defence Force«), die den Kampf dagegen aufnahmen. Der Bürgerkrieg, der in den Randgebieten des Landes Alltag ist, hat mancherorts inzwischen das Zentrum erreicht. Während im Rest des Landes das Leben weitergeht. 

Mehr als 1.200 Gegner des Militärregimes sind gestorben, hinzu kommen Ungezählte auf der Gegenseite. Viele von ihnen auch eher Opfer der Umstände als Täter. Obwohl die Umstände eines Bürgerkrieges tagtäglich aus »normalen« Bürgern Täter machen können. 

Hunderttausende mussten ihre Häuser und Wohnungen verlassen und flüchten. Sie leben im Dschungel oder in Flüchtlingslagern. Die Wirtschaft des Landes ist ruiniert, Millionen droht der Absturz in die Armut. Frage ist: Was wurde mit diesen Opfern erreicht? Ich meine: Gar nichts! Wem dient dieses Ergebnis und woher sollen die Mittel kommen, um das Land wieder aufzubauen? Und wer soll es denn überhaupt in eine geordnete Zukunft führen, in der die Interessen all seiner Bewohner Beachtung finden? Das Militär sitzt weiterhin fest im Sattel und es besteht kein Anlass zu glauben, dass sich dies über kurz oder lang ändern wird. Wäre es nicht an der Zeit, nach anderen – gewaltfreien – Lösungen zu suchen? CRPH (»Comittee Representing the Pyithu Hlutdaw«, »Das gewählte Parlament«) gibt vor, in dessen Namen zu handeln. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Aung San Suu Kyi, eine erklärte Anhängerin des gewaltlosen Widerstandes, den bewaffneten Kampf unterstützt. CRPH und das National Unity Government (NUG) jedoch stacheln die Menschen an, ihn fortzusetzen. Der Sieg sei zum Greifen nah! Man müsse nur genug Geld einsammeln, mit dem Waffen gekauft werden. Dann klappt das auch! Zuerst versuchte man es mit unverzinslichen Bonds mit zwei Jahren Laufzeit. Nachdem die ersehnte Milliarde nicht zusammenkam, erklärte NUG die Landeswährung Kyat für ungültig (!) und ersetzte sie durch die Kryptowährung Tether. Leider versteht hier keiner, was das soll – und zahlt weiter mit »wertlosen« Kyat.

Jeder von uns hat Situationen erlebt, in denen er Bilanz ziehen und sich das Scheitern eingestehen mussten. Sei es im persönlichen Bereich (zum Beispiel Beziehungen), sei es auf dem beruflichen beziehungsweise geschäftlichen Sektor. Oder wo auch immer. Ich denke, es ist an der Zeit, über neue Wege nachzudenken. Leider habe ich keine Patentlösung parat, aber man könnte erwägen, den Verhandlungsweg einzuschlagen. Ich weiß schon, was jetzt kommt: Mit den Militärs kann man nicht verhandeln, die sind zu stur! Aber es gab ja schon vorsichtige Schritte in diese Richtung. Die allerdings dazu führten, dass deren Initiatoren als Verräter und Unterstützer des Militärregimes verfemt wurden. Wie wäre es dann mit einer einseitigen Einstellung der Kampfhandlungen? Das wäre sicherlich ein Schritt, den man erwägen könnte. Und sei es nur, um das Töten und das Leiden zu beenden. Und das Leben wieder seinen gewohnten Gang gehen zu lassen.

Nicht wenige Expats, die noch im Lande leben, sind vom »heldenhaften Kampf« der »Generation Z« begeistert. 

Ich teile diese Begeisterung nicht. Hüte mich aber, das öffentlich kundzutun, denn dann gelte ich gleich als Unterstützer der Militärs. Was kein Mensch sein kann, der seine fünf Sinne beisammen hat! 

»Generation Z« – das sind überwiegend junge Leute aus den großen Städten, die stark westlich beeinflusst sind. Sie glauben anscheinend, mit dem Smartphone die Armee besiegen zu können. Besonders besorgniserregend ist die Unterschätzung des Gegners, der als eine Bande von hirnlosen Idioten eingestuft wird, die ahnungslos in jede Sprengfalle reinfahren und dann jeweils 100 Mann verlieren. Während sich bei den Rebellen höchstens mal einer den Fuß verstaucht. Den Gegner zu unterschätzen hat sich noch immer gerächt! In Wirklichkeit ist es doch so, dass die burmesische Armee vermutlich die beste in Südostasien ist. Zudem ist sie in Hinsicht auf Guerillakrieg seit Jahrzehnten im Training. Hinzu kommt, dass sie im Laufe der letzten Jahre stark modernisiert wurde. Die Luftwaffe verfügt über fortgeschrittene Kampfflugzeuge, die Artillerie ist modern und mit Hilfe von Luftaufklärung und Drohnen sind sie in der Lage, jedes Ziel bestens auszumachen und über große Entfernungen zu beschießen, während der Gegner mehr oder weniger hilflos ist, da er den Feind nur auf kurze Distanz bekämpfen kann. Selbst Panzer sind im Einsatz. Die einzige Chance die ich sähe, ist ein Putsch innerhalb des Militärs. Auf der anderen Seite: Burma braucht sein Militär, sonst fällt das Land auseinander.     

Ich habe Ähnliches schon einmal nach dem Volksaufstand von 1988 erlebt, als Freunde in den Dschungel gingen, um gegen das SLORC Regime (Militärregierung) zu kämpfen. Die meisten kehrten nach einiger Zeit frustriert zurück. Oder starben an Malaria und Schusswunden. An den Problemen, über die meine Freunde mir damals berichteten, hat sich vermutlich nichts geändert. Die Minoritäten empfingen die neuen Rekruten aus den Städten nicht gerade mit offenen Armen. Schließlich sind die meisten Burmesen, das heißt Feinde. Dazu sind sie »verweichlicht« und es gibt kaum Gemeinsamkeiten. Außer dem alten Grundsatz: Der Feind meines Feindes ist mein Freund! Hinzu kommen die Verständigungsprobleme. Viele Angehörige der Minderheitsvölker wie Kachin oder Karen sprechen kein Burmesisch. Und die Burmesen natürlich auch nicht deren Sprache. Ein anderes Problem: Da kann ja jeder kommen und sagen, dass er gegen die Regierung kämpfen will. Handelt es sich bei ihm vielleicht um einen Spion? Die Völker Burmas sind einander oft nicht gut gesonnen und begegnen sich mit Misstrauen. Zu tief sitzen die Vorurteile, die während der Kolonialzeit von den Briten systematisch aufgebaut wurden. Teile und herrsche, hieß die Devise! Und das wirkt bis heute nach. Selbst wenn die NUG einen Kachin namens Duwa Lashi La zum de-facto-Präsidenten ernennt und einen Chin namens Dr. Sasa zum Informationsminister und Sprachrohr der Regierung gemacht hat, ändert das nichts daran.     

Dann haben wir das Problem der Flüchtlinge. Im Kayah State soll fast die Hälfte der Einwohner auf der Flucht sein. Frag die Mal, was sie denn so vom Befreiungskampf ihrer Volksgenossen und der anderen Kämpfer halten. Ähnlich ist es im Chin State und anderen Krisengebieten. Die meisten Leute wollen doch nichts anderes, als ihr bescheidenes Leben führen. Denen ist es schnurz, wer in Naypyidaw das Sagen hat. Weil es sie überhaupt nicht betrifft.    

Ziviler Ungehorsam? So einfach ist das nicht!

Nehmen wir die Kampagne des zivilen Ungehorsams (»CDM«, »Civil Disobedience Movement«). Ich kenne hier kaum jemanden, der nicht dahinter steht. Nun haben aber viele Leute schulpflichtige Kinder. Die Schulen sind zwar wieder geöffnet, aber die Lehrer sind ja eigentlich Verräter an der Sache des Volkes, weil sie nicht an CDM teilnehmen. Was tun? Soll man jetzt mit der Einschulung der Kinder warten, bis die Revolution gesiegt hat? Das kann dauern. Also schickt man die Kinder in die Schule und steht damit vor einem Dilemma. Kann ja sein, dass – wie bereits geschehen – ein paar »Revolutionäre« eine Bombe in die Schule werfen, um die Lehrer und Schüler wieder auf Linie zu bringen. Wer Kassierer von Elektrizitätswerken erschießt, ist noch zu ganz anderen Dingen fähig. 

CDM ist ja schön und gut. Aber Ärzte und medizinisches Personal dürften in einem Land mit einer so prekären Gesundheitsversorgung meiner unmaßgeblichen Meinung nach nicht streiken. Zumal in den öffentlichen Krankenhäuser, die die einzigen sind, wohin sich arme Leute im Krankheitsfall wenden können (Behandlung ist gratis – zumindest auf dem Papier). Die privaten Krankenhäuser sind zu teuer für sie. Oder nehmen wir die staatliche Eisenbahn. Ich habe keine Zahlen vorliegen, aber ich gehe davon aus, dass sie mit Verlust arbeitet. Denn sowohl beim Güterverkehr als auch beim Personenverkehr spielt sie keine nennenswerte Rolle. Also wenig Einnahmen. Nun streiken die Eisenbahner. Aber nicht für höhere Löhne, sondern, um ihren Unmut über den Putsch kundzutun. Bekommen natürlich kein Gehalt und viele sind aus ihren Dienstwohnungen rausgeflogen. Aber der wahre Joke ist doch, dass sie der Regierung mit dem Streik einen Gefallen tun! Die sparen neben den Gehältern auch noch die laufenden Kosten für Treibstoff, Netzunterhalt et cetera. Und für die paar Bahntransporte, die das Militär braucht, findet sich immer noch der eine oder andere »Abweichler«. 

Hass oder Dialog?

Besonders besorgniserregend finde ich die Tendenz, die Soldaten und die Anhänger der Militärregierung (gibt es tatsächlich) zu verteufeln. Wenn von den Opfern des Militärputsches die Rede ist, werden nur die gezählt, die auf der »richtigen« Seite stehen. Tote Soldaten – davon gibt es ja mittlerweile angeblich mehr als zivile Opfer – zählen nicht! Die Militärführung gibt auch keine Zahlen bekannt. Man kann wohl davon ausgehen, dass die Mehrheit der Soldaten die Politik ihrer Führung missbilligt. Wie alle anderen Leute auch. Seit Beginn des Putsches sind viele Soldaten desertiert. Meist wohl junge Leute ohne Familie, denn wenn man Familie hat, schrecken die Militärs nicht davor zurück, unbeteiligte Familienmitglieder in Sippenhaft zu nehmen. Ebenfalls nicht in der Statistik erfasst sind die Opfer der Mordanschläge gegen Verwaltungsmitarbeiter oder besagte Kassierer der Elektrizitätswerke. Es ist darüber hinaus kein Geheimnis, dass derzeit viele offene Rechnungen beglichen werden, die nichts mit dem Putsch zu tun haben.   

Kurz gesagt: It’s a mess! Aber die Lage ist nicht hoffnungslos! Seit dem Ende der Kolonialzeit wurden in Südostasien viele Konflikte ausgefochten, die eine Folge ebendieser waren. Im Ergebnis half die Zeit, die Wogen zu glätten. Warum sollte das nicht auch in Myanmar möglich sein?

Anmerkung des ersten Lesers

»So ist es mit zwei gravierenden Veränderungen: Die ASEAN Staatengemeinschaft hat sich erstmals von derartigen Aktivitäten distanziert und China hat dies akzeptiert und die Militärregierung nicht nach Beijing eingeladen.«

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