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»Kulturpudel« Nida-Rümelin hat ein neues Buch herausgebracht und sitzt folgerichtig bei Lanz. Dort denkt er über Risiken nach, rechnet herum und rationalisiert. Als ob die Leute das täten. Als ob die Leute rational wären. Als ob sie das überhaupt nachvollziehen könnten. So ist das bei Astrazeneca. Das Risiko oder die Relation des Risikos zu dem Risiko, an COVID-19 zu versterben, interessiert niemanden. Es reicht, wenn eine Person daran stirbt, dann ist das Thema durch. Selbst wenn dadurch tausende gerettet werden. Denn: Dieser Tote könnte ich sein. Dann wäre ich tot. Zu den Geretteten könnte ich auch gehören, aber ich würde halt auch nicht unmittelbar tot umfallen, wenn ich mich nicht impfen ließe. Also ist die Sachlage klar: Besser nicht impfen lassen. Es geht also nicht um das Risiko. Es geht darum, ob eine Bedrohung als unmittelbar bedrohlich empfunden wird, oder nicht. Um das Risiko geht es nur insofern, als es größer als null ist. Es geht darum, ob man das Risiko vermeintlich willentlich selbst eingeht oder ob es oktroyiert wird. Ob man an einer Wahrscheinlichkeit vermeintlich willentlich teilnimmt, oder ob sie oktroyiert wird. Deshalb spielen die Leute auch Lotto: Weil sie selbst entscheiden, ob sie mitspielen. Gäbe es ein Zwangslotto für alle, würde das abgelehnt. Mit der Begründung, dass die Gewinnwahrscheinlichkeit zu gering sei. Und so ist es mit Corona – nur dass bei einem Risiko das Umgekehrte gilt wie bei einer Chance. Das Risiko, an Corona zu versterben wird oktroyiert. Man kann es ohne große »Kosten« nicht auf null reduzieren. Das Risiko, an Astrazeneca zu versterben, ist um ein Vielfaches geringer, aber das kann man vermeiden. Also tut man das. Dass die Impfung das Risiko, an Corona zu versterben, verringert? Geschenkt. Das ist ja dann wieder eine oktroyierte Chance. Die lehnt man ab. Ein weiteres Beispiel: Corona würde als weniger gefährlich empfunden, als der in einem Gedankenexperiment konstruierbare Umstand, dass jeden Tag ein Flugpassagier in Deutschland aus dem Flugzeug geworfen würde. Selbst wenn das Risiko gleich gering oder gleich hoch wäre. Denn das eine wäre oktroyiert, das andere nicht, das könnte man aktiv meiden. Flüge würden sofort verboten werden, niemand würde mehr fliegen. Das Fazit ist: Jedes Risiko ist zu hoch, wenn es oktroyiert wird, und sei es noch so gering. Umgekehrt kann keine Chance groß genug sein, wenn sie oktroyiert wird. Man will selbst entscheiden, ob man ein Risiko eingeht oder eine Chance wahrnimmt. Das ist eben die Illusion des »Freien Willens«. Unser Gehirn spielt uns ein Theaterstück vor, in dem wir die Hauptrolle spielen, und gaukelt uns vor, wir seien der Herr im Haus. Natürlich ist das in der Realität nicht so schwarz oder weiß, es gibt zahllose Graustufen. Das ganze ist sehr dynamisch und vielschichtig. In der Psychologie spricht man von »Selbstwirksamkeit«. Die Menschen sind so eitel, ihr Ego ist so groß, dass sie es nicht ertragen könnten, zu erkennen, dass es so etwas wie einen »Freien Willen« gar nicht gibt. Gar nicht geben kann, weil das ein logischer Zirkelschluss wäre. Weil das unlogisch wäre. Und weil auch gar nicht klar ist, was das überhaupt sein soll. Tatsächlich können wir, wie schon Schopenhauer erkannt hatte, nicht wollen, was wir wollen. Freiheit ist lediglich, tun zu können, was wir wollen. Aber das reicht den Menschen, um die Illusion des »Freien Willens« aufrechtzuerhalten. Zumal sie darüber sowieso nicht nachdenken. Das ist etwas, das man als »gefühlte Wahrheit« bezeichnet.