Symbolbild, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber
Am kommenden Donnerstag, 26. August 2021, verhandelt das Oberverwaltungsgericht Münster die Normenkontrollbeschwerde des nordrhein-westfälischen Landesverbandes des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (»BUND«) gegen den von der Stadt Datteln beschlossenen Bebauungsplan für das seit 15 Jahren umstrittene Steinkohlekraftwerk Datteln Vier. Mit dem »BUND«-Verfahren werden auch die Beschwerden von vier Privatklägern sowie der Stadt Waltrop verhandelt. Beigeladen sind der Kraftwerksbetreiber Uniper Kraftwerke GmbH sowie das Land Nordrhein-Westfalen. Laut Ankündigung des Oberverwaltungsgerichts soll am Ende der Sitzung ein Urteil verkündet werden.
Der Bebauungsplan war vom Rat der Stadt Datteln am 14. Mai 2014 beschlossen worden, nachdem ein erster Bebauungsplan bereits 2009 vom Oberverwaltungsgericht für unwirksam erklärt wurde. Damit soll das Steinkohlekraftwerk Datteln Vier planerisch abgesichert werden. Auf dem Bebauungsplan fußt auch die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Kraftwerks, gegen welche der »BUND« gleichfalls Klage eingereicht hat. Seit dem 30. Mai 2020 befindet sich das Kraftwerk im Regelbetrieb.
«15 Jahre nach dem Baubeginn und nach etlichen gerichtlichen Schlappen steht das Kraftwerk jetzt erneut auf dem juristischen Prüfstand«, sagt der stellvertretende »BUND«-Landesvorsitzende Thomas Krämerkämper. »Es wird Zeit, dass die Geschichte dieses Kraftwerks-Dinosauriers endlich beendet wird.«
Der »BUND« geht optimistisch in die mündliche Verhandlung. Nach Ansicht der Umweltschützer ist der Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan aus vielerlei Gründen rechtwidrig. So sei bereits bei der Standortentscheidung die notwendige Alternativenprüfung unterblieben. »Eine ergebnisoffene Prüfung ist nie erfolgt, vielmehr hat es eine erkennbare Vorfestlegung auf den jetzigen Standort in nur 450 Meter Entfernung zur Dattelner Meistersiedlung gegeben«, so Krämerkämper. Dadurch kommt es insbesondere nachts zu massiven Überschreitungen der zulässigen Lärm-Richtwerte in den Wohngebieten. Der »BUND« kritisiert auch die fehlerhafte Ermittlung der Feinstaubbelastung im direkten Umfeld des Kraftwerks. So befindet sich die auf die Behandlung schwerster Erkrankungen spezialisierte Vestische Kinder- und Jugendklinik innerhalb eines Radius von 1.000 Meter um das Kraftwerk.
Dazu macht der »BUND« eine unzulässige Beeinträchtigung des durch europäisches Recht geschützten FFH-Gebiets »Wälder bei Cappenberg« geltend. Die dort vorhandenen empfindlichen Wald-Lebensraumtypen leiden schon jetzt unter einer drastischen Überlastung mit Stickstoff und sauren Einträgen, was zu massiven Arten- und Biotopverlusten führt. Die erheblichen Zusatzbelastungen durch Datteln Vier sind deshalb nach »BUND«-Berechnungen nicht zulässig. »Die dazu seitens des Kraftwerksbetreibers vorgelegten Gutachten weisen erhebliche Fehler und massive Abweichungen vom anerkannten wissenschaftlichen Standard auf«, kritisiert der Kraftwerksexperte Krämerkämper. Mit einer Vielzahl von »Stellschrauben« hätten die Stadt Datteln und die Vorhabenträgerin und deren Gutachter daran gedreht, unter Verletzung europarechtlicher Vorschriften die Bebauungsplanung und Projektrealisierung möglich erscheinen zu lassen. »Was nicht passt, wird passend gemacht, scheint hier das vorherrschende Motto gewesen zu sein.«
Schließlich macht der »BUND« die Rechtswidrigkeit des Satzungsbeschlusses auch aufgrund unzureichender Gewichtung der Belange des Klimaschutzes geltend. Im schlimmsten Fall würden durch das Kraftwerk jährlich bis zu acht Millionen Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxyd ausgestoßen. Das entspricht einem Anteil von fast vier Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen des Landes. Für den »BUND« ist Datteln Vier daher eine große Hürde auf dem Weg, die aus dem Pariser Klimaabkommen resultierende 1,5 Grad-Grenze einzuhalten. Die Kohlekommission hatte deshalb empfohlen, für diesen Kohlemeiler noch vor der Inbetriebnahme eine Verhandlungslösung zur endgültigen Stilllegung zu finden. Diese Empfehlung wurde sowohl von der Bundes- als auch der Landesregierung ignoriert. Der Betreiber Uniper und dessen finnischer Mutterkonzern Fortum halten bislang an der Absicht fest, dass Kraftwerk bis 2038 betreiben zu wollen.
Hintergrund: Aufgrund einer Privatklage hob das Oberverwaltungsgericht Münster am 3. September 2009 den ursprünglichen Bebauungsplan für das Steinkohlenkraftwerk Datteln Vier auf; das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung am 16. März 2010. Aufgrund einer Klage des »BUND NRW« hob das Oberverwaltungsgericht daraufhin am 12. Juni 2021 auch die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zum Bau und Betrieb des Kraftwerks auf. Am 26. Juni 2013 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision zurück. Damit war das Urteil rechtskräftig.
Danach versuchten die Stadt Datteln, der RVR und die Landesregierung, das Vorhaben doch noch durchzusetzen. Dabei hatte sich »E.on« bereits 2007 dazu verpflichtet, das Kraftwerk wieder abzureißen und das Gelände zu rekultivieren, falls es endgültig gerichtlich scheitert.
Auf Antrag des RVR traf die Landesregierung im Dezember 2013 eine positive Entscheidung im Rahmen eines regionalplanerischen Zielabweichungsverfahrens und ebnete damit den Weg für weitere planungsrechtliche Heilungsversuche. Gegen den auf dieser Grundlage neu aufgestellten Bebauungsplan hat der »BUND NRW« am 2. Juni 2015 Normenkontrollbeschwerde eingereicht. Auch gegen die neue immissionsschutzrechtliche Genehmigung legte der »BUND« 2017 Klage ein.