Konrad J. Haase, Teamleitung Gemeinden anderer Muttersprache, Geistliche Gemeinschaften im Erzbischöflichen Generalvikariat. Foto: privat, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber
»Wichtig für die Förderung der Integration in Kirche und Gesellschaft«
Die UNESCO erinnert jedes Jahr am 21. Februar mit dem »Internationalem Tag der Muttersprache« an deren Bedeutung als Ausdruck der kulturellen Identität und daran, dass Mehrsprachigkeit ein Schlüssel zu gegenseitigem Respekt ist. Denn etwa die Hälfte der weltweit gesprochenen Sprachen ist vom Aussterben bedroht. Im Erzbistum Paderborn gibt es eine Vielfalt der Sprache: Es existieren 24 Gemeinden anderer Muttersprache, die sich guter Resonanz erfreuen.
»Je nach Gemeinde besuchen zwischen 70 und 200 Gläubige die Gottesdienste. Durch Corona sind aber leider auch – wie in den Territorialgemeinden – die Gottesdienste in den Gemeinden anderer Muttersprache weniger besucht worden beziehungsweise konnten nur begrenzt stattfinden«, berichtet Konrad J. Haase, Teamleitung Gemeinden anderer Muttersprache, Geistliche Gemeinschaften im Erzbischöflichen Generalvikariat.
Ist es in der heutigen Zeit des Zusammenwachsens überhaupt noch sinnvoll, dass es Muttersprachliche Gemeinden gibt?
In den Leitlinien für die Seelsorge an Katholiken anderer Muttersprache schreibt die Deutsche Bischofskonferenz (DBK): Das Konzept der Gemeinden anderer Muttersprache nimmt »das Urbedürfnis des Menschen ernst, dass er seinen Glauben, seine tiefsten Hoffnungen und Sehnsüchte in seiner eigenen Sprache, in seinen eigenen Traditionen, in seiner eigenen Kultur leben und feiern möchte. Das gehört zur Identität des Menschen«.
»Katholikinnen und Katholiken anderer Muttersprache aus dem Erzbistum Paderborn melden mir immer wieder zurück, wie wichtig es ihnen ist, die Möglichkeit zu haben, ihren Glauben in ihrer Sprache und Kultur zu feiern. Auch Anfragen für neue Gottesdienststandorte verdeutlichen dieses Bedürfnis«, betont Konrad J. Haase. Darüber hinaus würden Umfragen aus anderen Bistümern zeigen, dass Katholikinnen und Katholiken anderer Muttersprache aus unterschiedlichen Generationen dieser Möglichkeit einen hohen Wert beimessen.
Sprechen Integration oder die Annahme einer Parallelgesellschaft nicht dagegen?
»Nein, Gemeinden anderer Muttersprachen sind eben keine Parallelgesellschaften, sondern wichtig für die Förderung der Integration in Kirche und Gesellschaft. Unter Berücksichtigung der heutigen gesellschaftlichen Prozesse und des häufig noch vorherrschenden Verständnisses von Integration, was lediglich eine Anpassung der Migrantinnen und Migranten fordert, ist es höchst notwendig, dass zunächst die Gemeinden anderer Muttersprache ihren ›eigenen Raum‹ haben, um den Glauben in der jeweiligen Sprache und Kultur zu leben und zu feiern«, befürwortet Haase die Eigenständigkeit.
Langfristiges und primäres Ziel solle es sein, Integration als ein wechselseitiges Aufeinander-zu-Gehen und Zusammenarbeiten zu verstehen. So verstanden müsse Integration Zugehörigkeit, Partizipation und Respekt für alle ermöglichen. Diesem Ziel und einhergehenden Prozessen folgend könne es im Erzbistum zu stärkeren gemeinsamen Begegnungen, zum Dialog auf Augenhöhe und einer Zusammenarbeit kommen. »Im Erzbistum Paderborn müssen wir uns fragen, ob wir bereit sind, diese Schritte gemeinsam weiter zu gehen. Oder was hindernde Faktoren sind, die aktuell das Zusammenwachsen und Zusammenarbeiten noch stören«, so der zuständige Referent im Erzbistum.
Wie lassen sich Muttersprachliche Gemeinden in die heute immer größer werdenden Pastoralen Räume und Pastoralverbünde gut integrieren?
Nach dem derzeitigen Konzept im Erzbistum Paderborn gibt es Hauptstandorte der Gemeinden anderer Muttersprache, die schon seit längerem mehrere Dekanate und damit bis zu insgesamt acht Gottesdienststandorte bedienen. Die Hauptstandorte mit den hauptamtlich Angestellten sind in der Regel in die jeweiligen Pastoralteams eingebunden. »Eine Zusammenarbeit und gegenseitige Bereicherung könnte hier intensiviert und verstetigt werden«, so Konrad J. Haase weiter. Ergänzend wünscht er sich, dass Gemeinden anderer Muttersprache bewusst wahrgenommen und aktiv eingebunden werden.
Was können die Ortskirchen im Erzbistum von den Muttersprachlichen Gemeinden lernen? Wo »befruchten» sie Gemeinden und Stadt vor Ort?
Die Gemeinden und damit auch Katholikinnen und Katholiken anderer Muttersprache bilden auf Ebene des Erzbistums ein Stück weit die »eine Kirche aus vielen Sprachen und Kulturen« ab. Auch dadurch werde auf Ebene des Bistums Weltkirche vor Ort erlebbar. »Das zu erleben und vor allem die Begegnungen in dieser vielsprachig und kulturell vielfältigen Kirche, wenn man sie kennen lernen will, können eine Bereicherung für jede Seite sein«, hofft Haase, dass die Menschen anderer Muttersprache nicht nur als Gäste oder gar als Fremde behandelt werden. Er fordert eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe gleichwertiger Katholikinnen und Katholiken.
Gemeinden anderer Muttersprache wurden als »Sozialpastorale Orte« angelegt und sind auch heute noch je nach Kontext mit kleiner oder größeren »sozialen Projekten« in ihrem jeweiligen Kontext für alle Menschen vor Ort da. »Viele Gemeinden anderer Muttersprachen schaffen es bis heute, viele unterschiedliche Milieus anzusprechen und zu vereinen. Auch ein Aspekt, der in einigen Territorialgemeinden längst nicht mehr da ist«, so Konrad J. Haase.
Zahlen und Daten
Im Erzbistum Paderborn leben 1,44 Millionen Katholikinnen und Katholiken (Stand Juli 2021). Davon gehören etwa 248.000 Katholikinnen und Katholiken anderer Muttersprache beziehungsweise 17,24 Prozent zu den Gemeinden anderer Muttersprache und haben damit einen Migrationshintergrund.
Insgesamt existieren 24 Gemeinden anderer Muttersprache im Erzbistum Paderborn. 12 Hauptstandorte anderer Muttersprache tragen den Titel »missio cum cura animarum« beziehungsweise sind anerkannte Quasipfarreien.
Mehr als 37 Personen (18 Priester, 19 Menschen als Pastoralassistenz und weitere Dienste wie Hausmeister und Küster) arbeiten für das Erzbistum Paderborn, sie gehören zum Bereich Pastorale Dienste des Erzbischöflichen Generalvikariats. Es werden mehr als 14 verschiedene Sprachen neben Deutsch in der Liturgie im Erzbistum Paderborn gesprochen. Christen kommen als Migranten mit unterschiedlichsten Motivationen aus über 50 Ländern dieser Erde. Gottesdienstangebote, Gemeindetreffen und caritative und soziale Angebote werden an mehr als 63 Orten im Erzbistum gemacht.