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Neue Arzneimittel: Hälfte nicht innovativ – Einsparungen nötig und möglich

Neue #Arzneimittel: Hälfte nicht innovativ – Einsparungen nötig und möglich

Hamburg, 15. März 2022

Wie innovativ sind Arzneimittel, die neu auf den Markt kommen, tatsächlich? Dieser Frage ist die Universität Bremen gemeinsam mit einer #Krankenkasse seit dem Jahr 2013 im Rahmen der Innovationsreporte nachgegangen. 200 neue Wirkstoffe sind in acht Jahren bewertet worden. Das Fazit im jetzt veröffentlichten »Innovationsreport 2021« zeigt: 99 von ihnen und damit fast 50 Prozent stellten keine Verbesserung für die #Patienten dar, gerade einmal 26 Wirkstoffe und damit 13 Prozent stuften die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als echte Innovationen ein. Der Report zeigt außerdem: Die Preisfindung für neue Arzneimittel muss neu gestaltet werden. »Die Ausgaben im Arzneimittelbereich steigen kontinuierlich – es ist klar, dass etwas passieren muss, kurzfristig wie langfristig. Wir brauchen faire Preise für neue Arzneimittel, die sich an ihrem tatsächlichen Nutzen und den tatsächlichen Forschungskosten orientieren«, sagt Dr. Jens Baas.

Neue Arzneimittel: nicht innovativ, trotzdem verordnet

Der Innovationsreport 2021 macht aus Sicht von Herausgeber Professor Dr. Gerd Glaeske von der Universität Bremen die Schwachstellen in der Arzneimittelforschung deutlich. Beim Blick auf die Gesamtergebnisse sei die Innovationskraft der pharmazeutischen Industrie als dürftig zu bewerten. »Es kommen zu wenig Arzneimittel auf den Markt, von denen Patientinnen und Patienten wirklich profitieren. Dennoch werden die von uns als nicht innovativ bewerteten Medikamente verordnet. Das Missverständnis, dass ›neu‹ stets auch ›innovativ‹ im Sinne eines verbesserten Patientennutzens bedeutet, muss endlich ausgeräumt werden. Wir sehen: Der Nutzen von Medikamenten bleibt oft unbestimmt oder marginal, die Preise steigen dagegen exorbitant.«

Eine Auswertung zu in den vergangenen Jahren neu auf den Markt gekommenen Medikamenten zeigt: 62 Prozent der verordneten Tagesdosen sind anhand der Bewertung der Bremer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht innovativ, nur neun Prozent der verordneten Tagesdosen entfallen auf echte therapeutische Fortschritte.

Preisanstieg von mehr als 1.000 Prozent

Eine weitere Zahl aus 8 Jahren Innovationsreport, in denen die neuen Arzneimittel der Jahre 2010 bis 2017 bewertet wurden: Der durchschnittliche Packungspreis dieser Medikamente ist um fast 1.200 Prozent gestiegen. »Patentgeschützte Arzneimittel sind hierzulande im internationalen Vergleich zu teuer«, so Glaeske. Das im Jahr 2011 in Kraft getretene Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) zeige zwar Wirkung, habe aber weiterhin Schwächen, die die Politik dringend angehen müsse. »Es ist ein Fehler im System, dass die Unternehmen die Kosten bei Markteintritt frei und völlig intransparent festlegen können. Ist ein extrem hoher Preis auf diesem Weg erst einmal etabliert, setzt dieser die Marke für die nachfolgenden Medikamente, da die Kosten anhand der Vergleichstherapie bestimmt werden – ein Teufelskreis«, sagt Glaeske. Der Wissenschaftler fordert außerdem, sogenannte »#Orphan #Drugs« zur Behandlung von seltenen Erkrankungen nicht länger in der Form zu bevorzugen, dass ihr Zusatznutzen von vornherein als belegt gilt. 

Analyse: Milliardeneinsparungen mit kurzfristigen Maßnahmen möglich

Wie kann es nun konkret weitergehen? »Die im Koalitionsvertrag angekündigte Reform des AMNOG muss zügig angegangen werden, die Schwächen sind offensichtlich«, sagt Baas. »Dass die Kassen den ausgehandelten Erstattungsbetrag für neue Medikamente bereits rückwirkend ab dem siebten Monat nach Markteintritt – noch besser wäre unmittelbar ab Markteintritt – statt nach einem Jahr zahlen, kann nur ein erster Schritt sein. Langfristig müssen wir zu einer transparenteren Preisfindung kommen, die sich an objektiv nachvollziehbaren Kriterien orientiert.«

Angesichts der Finanzsituation in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) braucht es laut Baas zudem neben der geplanten Änderung beim Erstattungsbetrag weitere kurzfristige Maßnahmen im Arzneimittelbereich, um die Ausgaben zu senken. »Dazu gehören insbesondere ein ermäßigter Umsatzsteuersatz für alle Arzneimittel und eine Erhöhung der sogenannten Herstellerabschläge für patentgeschützte Arzneimittel, die derzeitigen Kostentreiber. Allein mit diesen beiden Maßnahmen ergibt sich ein Einsparpotenzial von etwa acht Milliarden Euro für die gesetzliche Krankenversicherung«, so Baas. Der Innovationsreport zeigt weitere Maßnahmen und ihre Einsparpotenziale für die GKV auf. Dazu gehören die Aufhebung der Privilegierung von Orphan Drugs, die Einführung eines Kombinationsabschlags, der als pauschaler Betrag gezahlt wird, wenn Arzneimittel in Kombination eingesetzt werden, sowie die Einführung sogenannter Fokuslisten. Über die Fokuslisten würden Krankenkassen die Möglichkeit erhalten, einzelne patentgeschützte Arzneimittel für die Versorgung ihrer Versicherten bevorzugt auszuwählen, wenn es vergleichbare Alternativen gibt. Durch diese Maßnahmen ergeben sich laut Innovationsreport Einsparpotenziale von rund zwei Milliarden Euro für die GKV. 

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