Egon Schiele (Tulln 1890 bis 1918 Wien), Leopold Czihaczek am Klavier, 1907, Öl auf Leinwand, 60,2 mal 100,7 Zentimeter (mit Rahmen 65,4 mal 105,5 mal 3 Zentimeter), Privatsammlung, Dauerleihgabe im Leopold Museum. Bild: Leopold Museum, Wien, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber
Schiele im Fokus, Leopold Museum zeigt kürzlich wiederentdecktes Schiele Gemälde erstmals öffentlich
Wien, 20. Juli 2022
115 Jahre nach seiner Entstehung wird das #Porträt von Egon Schieles Onkel Leopold Czihaczek mit ausgewählten Werken aus den frühen Schaffensjahren des #Künstlers präsentiert.
Das jüngst in österreichischem Privatbesitz wiederentdeckte Ölgemälde Leopold Czihaczek am Klavier von Egon Schiele (1890 bis 1918) schuf der junge Künstler im Mai des Jahres 1907, rund einen Monat vor seinem siebzehnten Geburtstag. Das Bild ist – 115 Jahre nach seiner Entstehung – ab 20. Juli 2022 im Rahmen der Dauerausstellung Wien 1900. Aufbruch in die Moderne erstmals öffentlich zu sehen. Das Czihaczek Porträt erhält als neue Dauerleihgabe einen prominenten Platz innerhalb der ständigen Sammlungspräsentation des Museums.
Der frühe Egon Schiele, ein außergewöhnliches Talent
Schieles außergewöhnliches zeichnerisches Talent zeigte sich früh. Da es in Schieles Heimatstadt Tulln zu jener Zeit kein Gymnasium gab, besuchte der junge Schüler das Gymnasium in Krems, ehe er 1902 nach Klosterneuburg zog und an das dortige Niederösterreichische Landesrealgymnasium wechselte, welches zu dieser Zeit noch in einem provisorischen Gebäude am Fuße des Stiftes untergebracht war. Er wohnte zuerst bei seinem ehemaligen Hauslehrer, dann beim »Stifts Curschmied«, einem auf Pferde spezialisierten Veterinär. Erst 1905 eröffnete der Neubau des Gymnasiums. Der neue Zeichenlehrer Schieles, der Maler Ludwig Karl Strauch (1875 bis 1959), erkannte die Begabung des jungen Mannes und unterstützte ihn in seinem Wunsch in Wien zu studieren. Egon Schiele blieb ihm auch später verbunden, ebenso wie den Malern Max Kahrer (1878 bis 1937) und Franz Horst (1862 bis 1950) sowie Adolf Böhm (1861 bis 1927), Secessionsmitbegründer und Mitglied der Klimt Gruppe. Der Kunstkritiker und Schiele Förderer Arthur Roessler erinnerte sich an Schieles Wertschätzung seiner Mentoren und zitierte Egons Verbundenheit gegenüber diesen Förderern folgendermaßen: »Meine ersten Nothelfer – leider waren es nicht ihrer vierzehn und auch keine Heiligen, aber doch gute Menschen – waren die Klosterneuburger Maler Kahrer, Horst, Strauch und Professor Böhm«. 1908 stellten Kahrer, Horst und Strauch gemeinsam mit dem jungen Schiele bei der 1. Kunstausstellung Klosterneuburg im Marmorsaal (Kaisersaal) des Stiftes aus, dessen Propst zu jener Zeit Prälat Friedrich Piffl (1864 bis 1932) war, der spätere Fürsterzbischof von Wien. Organisator der Schau war der Religionslehrer Egon Schieles, der Kunsthistoriker und Augustiner Chorherr Wolfgang Pauker (1867 bis 1950), der 1912 zum Schatzmeister und Kustos der Stiftssammlungen ernannt wurde. Erst zwei Jahre nach einer weiteren Ausstellung der Klosterneuburger Künstler, der 2. #Kunst Ausstellung heimischer Künstler Klosterneuburgs im Jahr 1911, wurde im September 1913 unter dem Namen »Verein heimischer Künstler in Klosterneuburg«, der Künstlerbund Klosterneuburg gegründet. Zu diesem Zeitpunkt war Schiele, der bereits 1909 die Neukunstgruppe gegründet hatte, schon längst »durch Klimt gegangen« und »der ganz andere« geworden: Ein herausragender Künstler des Expressionismus.
Egon Schieles Onkel Leopold Czihaczek, Vormund und Unterstützer
Nach längerer Krankheit starb Egons Vater Adolf Schiele (1851 bis 1905) – Stationsvorstand der K. K. Staatsbahnen in Tulln – am 1. Jänner des Jahres 1905. In dieser für die Familie – Mutter Marie, Egon sowie die beiden Schwestern Gertrud und Melanie – auch finanziell schwierigen Situation übernahm Egons Onkel Leopold Czihaczek (1842 bis 1929) die Mitvormundschaft über den minderjährigen Neffen. Czihaczek war Ministerialrat und Oberinspektor der Kaiser Ferdinands-Nordbahn und mit einer Schwester des Vaters verheiratet. Egons Wunsch Künstler zu werden entsprach nicht den Vorstellungen der Familie, doch als er im Oktober 1906 als Sechzehnjähriger die Prüfung für die Aufnahme an der Akademie der bildenden Künste erfolgreich absolvierte, schrieb Czihaczek stolz an seine Frau: »Egon glänzend durch«.
»Das Konterfei seines Onkels und finanziellen Unterstützers beschäftigte Egon Schiele in den folgenden 2 Jahren fortwährend«, so bemerkt Leopold Museum Direktor Hans Peter Wipplinger. »Keine andere Person wurde in seinem Œuvre öfters porträtiert. Ein zentrales Porträt ist jenes lange verschollen gewesene und kürzlich wiederentdeckte Gemälde Leopold Czihaczek am Klavier, das erstmals seit seiner Entstehung der Öffentlichkeit präsentiert wird und nun als Dauerleihgabe aus österreichischem Privatbesitz das Leopold Museum um ein weiteres Hauptwerk aus Schieles Frühzeit bereichert«, so Hans-Peter Wipplinger.
Das Gemälde Leopold Czihaczek am #Klavier
Das Ölgemälde zeigt Egon Schieles Onkel Leopold Czihaczek beim Klavierspiel im Musikzimmer seiner Wohnung in der Leopoldstädter Zirkusgasse. In diesem Gemälde verarbeitete Schiele Elemente moderner künstlerischer Entwicklungen und demonstriert bravourös die Beherrschung der Technik: »Stilistisch greift Schiele im Pinselduktus spätimpressionistische Tendenzen auf, kombiniert mit der typisch gedeckten, pastelligen Farbpalette des Frühwerks. In kompositorischer Hinsicht differenziert der Künstler in beleuchtete und verschattete Bildpartien, die ihn das ungewöhnlich große Querformat trotz der gewählten Perspektive dramaturgisch bewältigen lassen. Wie zur Versöhnung legt er demgegenüber eine einheitliche Dynamik der Pinselstriche an«, analysiert die Leiterin des Leopold Museum Forschungszentrum, Verena Gamper. »Die Nahsicht auf den Klavierspielenden, und der Fokus, der auf die Notenblätter gelegt wird, vermitteln den Eindruck größter Versunkenheit in die Musik. Diese wird von den bewusst unscharf wiedergegebenen Händen, gleichsam abgekoppelt vom Rest des Körpers, zum Erklingen gebracht«, so Gamper.
Exakt datiert und frisch restauriert
Das Gemälde befindet sich im Originalrahmen und auch die Leinwand ist auf dem Keilrahmen noch mit originaler Nagelung aufgespannt. Nach einer gründlichen Oberflächenreinigung kann das lange verschollen geglaubte Gemälde in neuem Glanz erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden. Bisher war es nur über eine #Schwarzweiß #Fotografie von 1930 bekannt, die es im Salon von Gustav Huber, des ehemaligen Besitzers und ebenfalls von Leopold Czihaczek finanziell unterstützten Mündels und späteren Ministerialrates, zeigte. Bereits bekannt waren zwei Vorstudien, von denen die mit »Schiele 17. IV. 07« datierte Zeichnung im Rahmen dieser Fokuspräsentation im #Leopold #Museum ebenfalls erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wird. Am originalen Keilrahmen des Gemäldes findet sich der Vermerk »begonnen 21. IV. 07«. Der Entstehungsprozess des Werks kann somit von der ersten Skizze über die Arbeit an der Leinwand bis zur Fertigstellung – der vom Künstler neben seiner Signatur hinzugefügten Datierung zufolge am 12. Mai 1907 – zeitlich exakt nachvollzogen werden.
Die Präsentation des Czihaczek Porträts
Das im Zentrum der Präsentation stehende Werk, entstanden in Schieles erstem Ausbildungsjahr an der Akademie, ist mit 60,2 mal 100,7 Zentimeter für das frühe Schaffen des jungen Künstlers ungewöhnlich groß. Es wird von kleinformatigen Landschaftsbildern und Städtebildern gerahmt, die ebenfalls aus jener Zeit stammen und einen Einblick in die schon zu Studienzeiten sichtbare Beherrschung von Technik und Genre geben. Rund 14 Gemälde und Zeichnungen aus dem Frühwerk, entstanden in den Jahren 1906 bis 1908, darunter Werke der Sammlung des Leopold Museum, der Leopold Privatsammlung und weiterer privater Leihgeber – unter ihnen Werner Gradisch, der Großneffe von Egon Schieles Schwester Melanie Schuster – werden gezeigt, ergänzt durch Fotografien. Zu sehen sind Veduten wie Kahle Bäume, Häuser und Bildstock (Klosterneuburg) oder Purkersdorf, Genreszenen – etwa Vor dem Leopolditag in Klosterneuburg und Drei Knaben – oder Landschaftsdarstellungen wie Herbstlicher Auwald.