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Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, erforschen, warum die Arktis grüner wirdZoom Button

Foto: Carlo Zamagni, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber

Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, erforschen, warum die Arktis grüner wird

Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, erforschen, warum die Arktis grüner wird

  • Ein For­schungs­team der #ETH #Zü­rich und der WSL ist im Som­mer 2022 nach Spitz­ber­gen ge­reist, um das »Arc­tic Gree­ning« un­ter die Lu­pe zu neh­men. Pro­jekt­lei­ter Se­bas­ti­an Döt­terl über For­schen zwi­schen Eis­bä­ren, Streiks und #Krieg.

»Wir ha­ben #Land­schaf­ten ge­se­hen, in de­nen #Per­ma­frost groß­flä­chig kol­la­biert ist«, sagt Se­bas­ti­an Döt­terl be­sorgt. Der Pro­fes­sor für Bo­den­res­sour­cen ist so­eben von ei­ner Feld­kam­pa­gne von Spitz­ber­gen zu­rück­ge­kehrt. Die In­sel­grup­pe liegt auf rund 78 Grad nörd­li­cher Brei­te, das Ther­mo­me­ter klet­tert hier im Som­mer im Durch­schnitt auf 9 Grad #Cel­si­us.

Dort­hin war er Mit­te Ju­li mit 11 wei­te­ren For­schern der ETH Zü­rich und der Eid­ge­nös­si­schen For­schungs­an­stalt Wald, Schnee und Land­schaft WSL zu­sam­men mit nor­we­gi­schen Part­nern nach lang­wie­ri­gen, auf­wän­di­gen und ner­ven­auf­rei­ben­den Vor­be­rei­tun­gen auf­ge­bro­chen. Ihr Ziel: die Hin­ter­grün­de und Me­cha­nis­men des »Arc­tic Gree­ning« zu er­for­schen. Und Spitz­ber­gen dient hier­für als idea­les Feld­la­bor.

Größ­tes und schwie­rigs­tes Un­ter­fan­gen

Noch vor we­ni­gen Ta­gen knie­te Döt­terl mit Woll­müt­ze, winddichter​ und re­gen­dich­ter #Klei­dung in der #Tun­dra, um Bo­den­pro­ben zu sam­meln. Jetzt sitzt er in Shorts und T-​Shirt in sei­nem Bü­ro. Der For­scher wirkt et­was ab­ge­kämpft, aber nicht nur we­gen dem Wech­sel aus der küh­len Ark­tis in die Au­gust­hit­ze von Zü­rich. Son­dern auch we­gen der Feld­for­schung auf Spitz­ber­gen selbst – oder viel­mehr: we­gen der Rah­men­be­din­gun­gen.

»Die­ses Un­ter­fan­gen stellt be­züg­lich Grös­sen­ord­nung und Schwie­rig­keit mei­ne bis­he­ri­gen Feldarbeits-​Kampagnen in den Schat­ten«, be­tont Döt­terl. »Ich hat­te noch nie mit solch schwie­ri­gen Rah­men­be­din­gun­gen zu kämp­fen wie bei die­sem Pro­jekt, und dass, ob­wohl wir auch viel Feld­for­schung in Re­gio­nen wie dem Kon­go be­trei­ben.«

»Die­ses Un­ter­fan­gen stellt be­züg­lich Größen­ord­nung und Schwie­rig­keit mei­ne bis­he­ri­gen Feldarbeits Kampagnen in den Schat­ten«, Se­bas­ti­an Döt­terl.

#Co­ro­na, Krieg und #Pi­lo­ten­streik

Erst ver­zö­ger­te die Co­ro­na­pan­de­mie den Pro­jekt­start um mehr als 1 Jahr. Dann be­gann Russ­land im Fe­bru­ar den Krieg ge­gen die Ukrai­ne, was be­deu­te­te, dass das For­schungs­team In­fra­struk­tur, die der rus­si­sche Staat auf Spitz­ber­gen be­treibt, nicht wie ge­plant nut­zen durf­te. Für den Zu­gang in ab­ge­le­ge­ne Re­gio­nen wä­ren die For­schen­den je­doch dar­auf an­ge­wie­sen ge­we­sen. Mit Glück konn­ten die nor­we­gi­schen Part­ner in letz­ter Mi­nu­te ein Se­gel­schiff samt Crew char­tern, da­mit die For­schen­den ein Dach über dem Kopf hat­ten und zu ih­ren Un­ter­su­chungs­ge­bie­ten ge­lan­gen konn­ten.

Aber da­mit nicht ge­nug: Kurz vor der Ab­rei­se im Ju­li ge­fähr­de­te ein Pi­lo­ten­streik bei der skan­di­na­vi­schen Flug­ge­sell­schaft SAS das Un­ter­fan­gen er­neut. »Hät­te un­se­re Dok­to­ran­din­nen nicht so schnell re­agiert und er­neut für al­le Mit­glie­der der Ex­pe­di­ti­on Flü­ge ge­bucht, wä­ren wir gar nicht nach Spitz­ber­gen ge­flo­gen«, be­tont Döt­terl.

Berge, Klippen, ein Segelschiff im Meer

Wie, wo und war­um er­grünt Spitz­ber­gen? Dar­auf will ein ETH​ und WSL ​Forschungsteam Ant­wor­ten fin­den.

Öko­lo­gi­schen #Wan­del in der Ark­tis er­for­schen

Die Haupt­stadt Spitz­ber­gens Lon­gye­ar­by­en ist für das For­schungs­team aus Pflan­zen­öko­log:in­nen, Bo­den­kund­ler:in­nen, Geo­öko­log:in­nen und Mi­kro­bio­log:in­nen Aus­gangs­punkt, um im Rah­men ei­nes »ETH Plus ​Projekts« in den kom­men­den Jah­ren die lo­ka­len Mus­ter und Me­cha­nis­men des Er­grü­nens der Ark­tiks zu er­for­schen. Am Pro­jekt be­tei­ligt sind nebst Döt­terls Grup­pe auch For­schen­de um Ja­ke Alex­an­der, Ca­ra Ma­gna­bos­co und Si­mo­ne Fi­or (al­le ETH Zü­rich) so­wie Ali­ne Fros­sard von der WSL.

Den An­stoß zu die­sem For­schungs­vor­ha­ben ge­ge­ben hat die Tat­sa­che, dass die glo­ba­le Er­wär­mung Öko­sys­te­me ra­sant ver­än­dert. In der Ark­tis voll­zieht sich die­ser Wan­del noch schnel­ler als an­ders­wo auf der Welt. So sind die Tem­pe­ra­tu­ren im ho­hen Nor­den in den letz­ten drei Jahr­zehn­ten um vie­les stär­ker ge­stie­gen als im welt­wei­ten Durch­schnitt.

Das bringt nicht nur die #Glet­scher und den Per­ma­frost zum Schmel­zen, son­dern än­dert auch Bö­den und Pflan­zen in der ark­ti­schen Tun­dra. Zwi­schen 1984 und 2012 sind 30 Pro­zent der Tundren Nord­ame­ri­kas grü­ner ge­wor­den, wie ei­ne ex­ter­ne Nasa ​Studie zeig­te. Wes­halb aber man­che Tundren stär­ker und ra­scher er­grü­nen als an­de­re, hängt ver­mut­lich mit der lo­ka­len Bo­den­frucht­bar­keit, dem Was­ser­haus­halt und dem #Mi­kro­kli­ma zu­sam­men.

Im Fo­kus der ETH- und WSL ​Forscher ste­hen ei­ner­seits an­ge­stamm­te und ein­ge­führ­te Pflan­zen und wie die­se auf die Er­wär­mung re­agie­ren. Die Wis­sen­schaft­ler be­fas­sen sich auch mit der sich be­schleu­ni­gen­den Bo­den­ent­wick­lung und den Ver­än­de­run­gen bio­geo­che­mi­scher Kreis­läu­fe. Da­zu un­ter­su­chen sie ur­sprüng­li­che Tun­dra­bö­den, ge­stör­te Bö­den in Sied­lungs­nä­he so­wie nähr­stoff­rei­che Bö­den in der Nä­he von Vo­gel­ko­lo­nien an.

Wei­ter möch­ten die For­schenr her­aus­fin­den, wel­che Rol­le Mi­kro­ben bei der Be­sied­lung von jun­gen Bö­den durch Pflan­zen und in den sich än­dern­den mi­kro­biel­len Ge­mein­schaf­ten in bes­ser ent­wi­ckel­ten Bö­den spie­len wer­den.

Aus ih­ren Da­ten wol­len die For­schenr schließ­lich ein Mo­dell ab­lei­ten, wel­ches Än­de­run­gen in der Ve­ge­ta­ti­on, den Bö­den und den Mi­kro­or­ga­nis­men be­inhal­tet und zur Pro­gno­se zu­künf­ti­ger Än­de­run­gen in ark­ti­schen Öko­sys­te­men ver­wen­det wer­den kann.

Im­pro­vi­sa­ti­on war ge­fragt

Mit dem Ver­lauf der Ex­pe­di­ti­on sind Döt­terl und sei­ne Co ​Projektleiter trotz al­ler Schwie­rig­kei­ten mit der Ex­pe­di­ti­on sehr zu­frie­den. »Vor Ort ist fast al­les wie er­hofft ge­lau­fen», freut sich der Pro­jekt­lei­ter. Alle Teil­neh­mer:in­nen sei­en stark mo­ti­viert ge­we­sen, al­le hät­ten auf­ein­an­der auf­ge­passt und ei­ne sehr gu­te und kol­le­gia­le Zu­sam­men­ar­beit ge­pflegt. «Das ist bei ei­nem Pro­jekt von die­sem Schwie­rig­keits­grad und un­ter den teil­wei­se be­en­gen­den Be­din­gun­gen auf dem Schiff nicht selbst­ver­ständ­lich«, be­tont Döt­terl.

Bis auf ei­ne Stel­le – die Be­hör­den sperr­ten ei­ne Sied­lung we­gen ei­nes streu­nen­den Eis­bärs – konn­ten sie in al­len Un­ter­su­chungs­flä­chen wie ge­wünscht Pro­ben ho­len, ins­ge­samt 1,2 Ton­nen Bo­den­ma­te­ri­al, das die For­schen­den teils ge­fro­ren nach Zü­rich ver­schifft ha­ben, wo das Ma­te­ri­al im kom­men­den Win­ter im La­bor ana­ly­siert wird. Da­zu kom­men hun­der­te von Pflan­zen­pro­ben und Sa­men­ma­te­ri­al für Ex­pe­ri­men­te in Zü­rich so­wie hun­der­te von mi­kro­bio­lo­gi­schen Pro­ben.

Um das dar­in ent­hal­te­ne ge­ne­ti­sche Ma­te­ri­al zu kon­ser­vie­ren, muss­ten die­se Pro­ben im Ge­län­de so­fort ein­ge­fro­ren wer­den und bei minus 80 Grad Cel­si­us in flüs­si­gem Stick­stoff trans­por­tiert wer­den. Weil da­für in der Wild­nis kei­ne aus­rei­chen­de Strom­ver­sor­gung vor­han­den war, schick­ten die For­schen­den vor­gän­gig ei­nen Tank mit 400 Li­tern flüs­si­gen Stick­stoff un­ter 4 Bar Druck nach Spitz­ber­gen. Da der Tank je­doch ein Loch be­kam und drei Wo­chen in Trom­sö zwi­schen­la­ger­te, ehe er auf die In­sel ver­schifft wur­de, ent­hielt er nur noch knapp 100 Li­ter. Der Druck war auf ein Bar ab­ge­sun­ken. »Das ging ge­ra­de noch so auf«, sagt Döt­terl.

Auch mit an­de­ren tech­ni­schen Hilfs­mit­teln war ge­le­gent­lich Im­pro­vi­sa­ti­ons­kunst ge­fragt. Ei­ne der drei mit­ge­brach­ten Droh­nen stürz­te bei ih­rem ers­ten Ein­satz we­gen ei­nes Soft­ware­feh­lers ab. Die dar­an in­stal­lier­ten Ka­me­ras wa­ren je­doch noch in­takt. Um den­noch von oben Auf­nah­men der Un­ter­su­chungs­flä­chen zu ma­chen, mon­tier­ten die For­schen­den die Sen­so­ren an der Spit­ze ei­ner vier Me­ter lan­gen Me­tall­stan­ge, wel­che sie wie ei­ne Fah­ne vor sich her tra­gen muss­ten und so doch noch Ve­ge­ta­ti­ons­auf­nah­men aus der Luft durch­füh­ren konn­ten.

La­bor­ar­beit und Trip nach #Nord­nor­we­gen

Auf die in­ten­si­ve ers­te Feld­sai­son fol­gen nun viel La­bor­ar­beit und ein wei­te­rer Feld­ar­beits­ein­satz im nächs­ten Som­mer in Nord­nor­we­gen. Dort wird das Team Bö­den, Mi­kro­or­ga­nis­men und die Pflan­zen­öko­lo­gie in den süd­li­chen Aus­läu­fern der nie­de­ren ark­ti­schen Tun­dra un­ter­su­chen. Die­ser Le­bens­raum ist die wär­me­re Ent­spre­chung der ho­hen Tun­dra Spitz­ber­gens.

Da­nach sol­len die um­fang­rei­chen Da­ten ana­ly­siert wer­den. Sie bil­den die Grund­la­ge für die Un­ter­su­chung zu­künf­ti­ger bio­geo­che­mi­scher Kreis­läu­fe in der sich ver­än­dern­den Ark­tis und de­ren Um­set­zung in Land­ober­flä­chen­mo­del­le. Ins­ge­samt soll das Pro­jekt bis 2025 lau­fen.

Dass die­ses Pro­jekt trotz all der Wid­rig­kei­ten trotz­dem so gut ge­lau­fen sei, ver­dankt Döt­terl den drei be­tei­lig­ten Dok­to­ran­din­nen Sig­rid Trier Kja­er, Le­na Bak­ker und Ja­na Rüt­hers. »Sie ha­ben die gan­ze Lo­gis­tik und Or­ga­ni­sa­ti­on auf die Bei­ne ge­stellt und das Pro­jekt da­mit ge­ret­tet. Das war ei­ne rie­si­ge Leis­tung«, freut sich der Bo­den­ex­per­te.

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